der leere raum

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peter brook

„der leere raum“ ist der name eines essays von peter brook, einer der großen alten, noch lebenden theaterregisseure unserer zeit. peter brook hat einem afrikanischen kollegen erklärt, warum es ein leichtes ist, das theater unterschiedlichster kulturen zusammen-zubringen. er hat für mich wunderbar einfach die essenz benannt, was theater ist:

„ich kann jeden leeren raum nehmen und ihn eine nackte bühne nennen. ein mann geht durch den raum, während ihm ein anderer zusieht; das ist alles, was zur theaterhandlung notwendig ist.“

 

wo nichts ist, ist alles möglich

„der leere raum“ ist für mich der punkt oder ort in einem kreativen prozess,
an dem mir nichts mehr einfällt und sich in meinem kopf eine absolute leere ausbreitet.

ich habe keine vorgefertigte lösung parat und weiß nicht, was ich machen soll.
ich könnte das auch kontrollverlust nennen.

(das kann in einer improvisation sein, beim schreiben dieses artikels, bei der einrichtung meiner räumlichkeiten oder beim erdenken einer neuen strategie für meine buchhaltung.)
damit verbunden ist meist ein unsicheres gefühl, das auch in angst oder eine leichte panik übergehen kann, also grundsätzlich eher eine unangenehme sache. diese situation suche ich normalerweise nach kräften zu vermeiden und möchte weg, egal wie. im theater spricht man bei einer entsprechenden vermeidungsreaktion von „blockieren“.

diesen punkt kann ich allerdings auch anders betrachten: als ein absolutes geschenk.
denn kontrollverlust bedeutet die möglichkeit einer neuen entwicklung und kann einen schritt in etwas neues, etwas vorher nicht dagewesenes ermöglichen.
wenn ich diesen leeren raum zulasse, aushalte und ein bisschen warte, wird mir etwas einfallen. setze ich dann meine zumeist negative innere kritik, die idee betreffend, bewusst ausser kraft und folge meinem einfall, werde ich den leeren raum durchschreiten, überwinden und für mich nutzen können. ich wähle übrigens wenn möglich immer die allererste idee.

vielleicht mache ich einen fehler. dann kann ich das nächste mal diesen fehler als erfahrungsquelle nutzen und mein tun korrigieren. so einfach ist das. eigentlich.

 

die leere bühne ist die welt

meine erfahrung ist, dass der menschliche geist in der lage ist, aus ein paar gegenständen und bestimmten hinweisen eine komplette welt im kopf seines eigentümers entstehen zu lassen.

nehme ich eine leere bühne, ein paar notwendige requisiten und vor allem einen protagonisten, der sich in seine rolle hervorragend eingearbeitet hat und die orte, menschen und gefühle, mit denen sie oder er es zu tun hat, genau kennt und sich hineinzuversetzen weiß, wird der betrachter sich mit dem protagonisten an diesen ort, diese situation begeben.

dieses phänomen hat etwas magisches und es ist etwas, das das theater für mich von allen anderen künsten unterscheidet, auch und besonders vom film.
es hat die fähigkeit, den betrachter durch „nichts“, also einen leeren raum, überallhin zu bringen. er ist in der lage, in die ganze welt zu reisen, auch an orte, an denen er noch nie gewesen ist.

theater ist also sozusagen kino im kopf.

film ist darauf angewiesen, informationen möglichst komplett zu liefern. lars von trier hat versucht, in „dogville“ und „manderlay“ das phänomen der bühne filmisch zu nutzen, ist aber meiner meinung nach in der umsetzung gescheitert.

eine (die einzige?) andere kunstform, die dieses prinzip noch nutzt und beherrscht, ist die schriftstellerei. wer gerne liest, weiß den wert und die besonderheit eines guten buches zu schätzen.